Wenn dein Vierbeiner plötzlich wie aus dem Nichts verwirrt herumläuft, jault oder sich sogar scheinbar unkontrolliert bewegt, klingt das wie eine Szene aus einem Gruselfilm. In den vergangenen Monaten haben Hundehalter in mehreren europäischen Ländern über ein Phänomen berichtet, das wegen des auffälligen Verhaltens ihrer Tiere scherzhaft als „Werwolf‑Syndrom“ bezeichnet wird. Oft fallen Begriffe wie Kauknochen und Rinderhaut in diesem Zusammenhang. Dieser Beitrag beleuchtet, was hinter den Berichten steckt, welche Symptome auftreten und was du tun kannst, um deinen Hund zu schützen.
Was ist das Werwolf‑Syndrom beim Hund?
Die umgangssprachliche Bezeichnung lässt Horrorfilme anklingen, doch tatsächlich handelt es sich um eine plötzlich einsetzende, episodische neurologische Störung. Die betroffenen Hunde zeigen für kurze Zeit extreme Verhaltensveränderungen und wirken, als stünden sie unter dem Einfluss von Giftstoffen. Meist erholen sie sich nach einigen Tagen wieder. Weil die genaue Ursache noch unklar ist und das Krankheitsbild neu ist, arbeiten Tierärzte europaweit an einer besseren Definition und Ursachenforschung.
Symptome
Charakteristisch sind Panikattacken, lautes Heulen, ängstliches Jaulen und unkoordinierte Bewegungsabläufe. Manche Tiere rennen orientierungslos durch den Raum, versuchen durch Fenster oder Türen zu entkommen oder stoßen gegen Möbel. In manchen Fällen kommen aggressive Phasen hinzu, während derer die Hunde knurren oder unvermittelt nach Menschen oder Gegenständen schnappen.
Einige Patienten wirken, als würden sie Halluzinationen wahrnehmen. In schweren Fällen können nach ein bis zwei Wochen epileptische Anfälle auftreten. Häufig reagieren die Tiere kaum auf beruhigende Medikamente, und die Episoden können sich in Abständen wiederholen. Auffällig ist auch, dass oft mehrere Hunde in einem Haushalt gleichzeitig betroffen sind.
Das Werwolf‑Syndrom ähnelt einer Vergiftung
Veterinärmediziner vermuten, dass die Symptome eher einer akuten Vergiftung ähneln als einer klassischen Infektion. Viren, Impfungen oder Zeckenmittel wurden als Auslöser ausgeschlossen. Die plötzliche, heftige Erregung und das anschließende Abklingen lassen an einen Kontakt mit Giftstoffen denken.
Einige Experten diskutieren, ob Mykotoxine (Schimmelpilzgifte) oder chemische Rückstände aus der Herstellung von Kauartikeln beteiligt sein könnten. Bislang gibt es jedoch keinen eindeutigen toxikologischen Nachweis, und es bleiben nur Hinweise aus der Anamnese betroffener Hunde.
Ursachen für das Werwolf‑Syndrom noch unbekannt
Seit Sommer 2024 wird über zahlreiche Fälle berichtet, dennoch ist die Ursache bisher nicht geklärt. In der Krankengeschichte vieler Patienten taucht der Verzehr von Rinderhautknochen oder anderen Kauartikeln auf, was zu Spekulationen geführt hat. Europäische Behörden haben mehrere Chargen von Kauprodukten – insbesondere der Marken Barkoo und Chrisco – vorsorglich zurückgerufen.
Betroffene Hundebesitzer werden gebeten, Verpackungen und Chargennummern aufzubewahren und an die Behörden zu melden. Trotzdem handelt es sich bislang lediglich um einen zeitlichen Zusammenhang; ein kausaler Zusammenhang ist nicht bewiesen. Auch andere Faktoren wie Umweltgifte, Pilze oder Stoffwechselstörungen könnten beteiligt sein. Hochschulen wie die LMU München und die Tierärztliche Hochschule Hannover führen epidemiologische Studien durch und bitten Halter, an Online‑Umfragen teilzunehmen, um mögliche Risikofaktoren aufzudecken.
Behandlung betroffener Hunde
Es gibt bisher keine spezifische Therapie gegen das Werwolf‑Syndrom. Die Behandlung erfolgt symptomatisch. Tierärzte verabreichen Beruhigungs‑ und Angstlöser, um die Panikattacken zu lindern. Bei Krampfanfällen kommen Antikonvulsiva zum Einsatz. Zusätzlich erhalten die Tiere Infusionen, um den Kreislauf zu stabilisieren, und werden in einer ruhigen Umgebung überwacht.
Die meisten Hunde erholen sich innerhalb von Tagen bis Wochen vollständig. Wichtig ist, dass du dich selbst schützt: Halte Abstand zu einem verhaltensauffälligen Hund, verhindere Fluchtversuche und bring Kinder in Sicherheit. Da verschiedene Erkrankungen ähnliche Anzeichen zeigen können, sollte ein Fachtierarzt für Neurologie die Diagnose stellen und andere Ursachen ausschließen.
Können Kauknochen das Werwolf‑Syndrom beim Hund auslösen?
Viele Berichte deuten darauf hin, dass betroffene Hunde kurz vor Ausbruch der Symptome mit Rinderhautknochen oder ähnlichen Produkten gefüttert wurden. Diese Beobachtung und die Rückrufe der Behörden haben die Frage aufgeworfen, ob bestimmte Kauartikel Neurotoxine enthalten könnten. Allerdings fehlen bislang belastbare Beweise, und nicht alle Kauprodukte sind gleich.
Neurotoxine in Kausachen?
Während einige Wissenschaftler vermuten, dass Schimmelpilze oder bei der Verarbeitung eingesetzte Lösungsmittel in einzelnen Produkten eine Rolle spielen könnten, konnte bisher kein konkreter Stoff identifiziert werden. Rohhaut wird häufig in einem chemischen Bad gereinigt und gebleicht; extrem weiße oder stark bearbeitete Knochen können Hinweise auf intensive Behandlung sein. Volatile Substanzen oder sehr kleine Moleküle könnten schnell abgebaut werden und lassen sich daher schwer nachweisen. Bis weitere Studien Klarheit schaffen, bleibt der Verdacht ohne endgültige Bestätigung.
Welche Kauknochen sind sicher?
Um das Risiko zu minimieren, solltest du auf natürliche, unbehandelte Kauartikel achten. Produkte aus unbehandelter Rinderhaut, getrockneten Sehnen, Pansen oder Fischhaut werden ohne chemische Aufheller hergestellt und sind weniger stark bearbeitet. Kauartikel aus Deutschland oder der EU unterliegen strengeren Kontrollen als manches Importprodukt. Vermeide besonders bleiche oder künstlich duftende Knochen und solche, die in den Warnungen der Behörden genannt werden. Achte zudem auf die passende Größe: Zu kleine Knochen können verschluckt werden, zu große überlasten den Kiefer. Im Zweifel hilft dein Tierarzt bei der Auswahl.
Alternativen zu Kauknochen
Wenn du komplett auf Rohhaut verzichten möchtest, gibt es zahlreiche Alternativen. Kauspielzeug aus Naturkautschuk oder robustem Nylon, etwa gefüllte Beschäftigungsbälle, befriedigen den Kauinstinkt ohne das Risiko einer chemischen Belastung. Auch getrocknete Fleischstreifen, Kauwurzeln oder luftgetrocknete Fische sind beliebte Optionen. Denkspiele und Futterbälle trainieren zusätzlich den Geist. Wichtig ist, dass du den Hund beim Kauen beaufsichtigst, damit er sich nicht verschluckt oder das Spielzeug zerbeißt.
Was tun, wenn der Hund Symptome zeigt?
Zeigt dein Hund plötzlich Panik, Schreien oder unkoordinierte Bewegungen, bewahre Ruhe. Entferne Gegenstände, an denen er sich verletzen könnte, und bring andere Tiere oder Kinder außer Reichweite. Führe kein zusätzliches Futter zu und gib keinen weiteren Kauartikel. Nimm umgehend Kontakt zu deiner Tierarztpraxis auf und schildere die Beobachtungen.
Eine Videoaufnahme der Episode hilft der Ärztin oder dem Arzt, das Geschehen einzuschätzen. Notiere, welches Futter oder welche Leckerlis dein Hund zuletzt bekommen hat, und fotografiere Chargennummern sowie Mindesthaltbarkeitsdaten. Die Tierärztliche Hochschule Hannover bittet Betroffene, an einer Online‑Umfrage teilzunehmen – sie kann helfen, die Ursache schneller zu finden. Transporte sollten möglichst in einer Box erfolgen, damit sich der Hund nicht verletzt. Versuche nicht, ihn ohne professionelle Anleitung zu beruhigen oder Medikamente zu verabreichen.
Wann zum Tierarzt?
Sobald dein Hund unerklärliche Verhaltensänderungen, starke Angstzustände, Krämpfe oder Fluchtversuche zeigt, solltest du ihn so schnell wie möglich von einem Tierarzt untersuchen lassen. Auch wenn die Episode nach Minuten endet, können innere Organe belastet sein, und eine neurologische Untersuchung ist sinnvoll.
Scheue dich nicht, auch nachts den tierärztlichen Notdienst zu kontaktieren. Warte nicht ab, ob es sich „von selbst gibt“, denn beim Werwolf‑Syndrom zählt Zeit. Bring Verpackungen von Nahrung und Kauartikeln mit in die Praxis, damit die Informationen an die zuständigen Behörden weitergegeben werden können.
Fazit: Vorsicht statt Panik
Das Werwolf‑Syndrom ist ein neues, beunruhigendes Krankheitsbild, dessen Ursachen bislang im Dunkeln liegen. Ein zeitlicher Zusammenhang mit bestimmten Kauartikeln hat zu Rückrufen und intensiver Forschung geführt, doch ein eindeutiger Beweis steht aus. Wichtig ist, dass du aufmerksam bleibst, verdächtige Produkte vermeidest und bei ersten Anzeichen sofort tierärztliche Hilfe in Anspruch nimmst. Mit sorgfältiger Beobachtung, sicherer Ernährung und deiner Mithilfe bei der Datenerhebung kannst du dazu beitragen, dass diese rätselhafte Störung aufgeklärt wird – und deinem Hund und anderen Vierbeinern ein gesundes, unbekümmertes Leben ermöglichen.
